Genießen im Walzertakt | The Hans in Wien

30.10.2019

MEINE TIPPS:

Restaurant Steirereck mit Meierei im Stadtpark
Amador Restaurant
Palais Coburg
Mraz & Sohn
Restaurant Konstantin Filippou
DO & CO am Stephansplatz
Gasthaus Grünauer
Plachutta Wollzeile
Meixner's Gastwirtschaft
Gutruf
Milchgasse 1, 1010 Wien
Das Spittelberg
Ludwig van
Winklers zum Posthorn


NASCHMARKT

Umar
Urbanek
Naschmarkt Stand 46


WEITERE WIRTSHÄUSER

Pichlmaiers zum Herkner
Skopik & Lohn
Gasthaus Wolf
Rudis Beisl
Gasthaus zu den 3 Hacken
Gmoakeller


WEINWIRTSHÄUSER

Fuhrmann
Heunisch & Erben
Mast


Genießen im Walzertakt

Mit dem "Steirereck" hat alles angefangen. Die "Nouvelle Cuisine" war plötzlich in Österreich angekommen. Das war für die Wirtshäuser Ansporn, immer besser zu werden. Auch dank ihnen ist Wien heute eine Weltstadt des Genusses.

40 Jahre ist es schon her, als ich zum ersten Mal im "Steirereck", damals noch am Donaukanal, gegessen habe. Das war ein gutes Wirtshaus mit steirischer Küche. Und alle haben sich eigentlich wohlgefühlt. Doch nach einem Paris-Besuch hatte Wirt Heinz Reitbauer senior eine Vision. Er wollte die Nouvelle Cuisine auch nach Wien bringen.

Gesagt, getan. Die Küche wurde auf neu, leicht und trotzdem österreichisch umgepolt - damit konnte ich leben. Nur nicht mit den damals modernen, unbequemen Sesseln mit langer Rückenlehne, Gott sei Dank wurden die später abgeschafft. Und Jahr für Jahr kletterte das "Steirereck" im Restaurant-Ranking bis an die Spitze der besten Restaurants Österreichs.

Video: Warum man ins Steirereck pilgern muss!

Heute residiert das "Steirereck" in einer umgebauten Milchtrinkhalle im Stadtpark. Die Küche von Heinz Reitbauer junior gehört inzwischen zu den Top 20 weltweit und ist oft Wochen im Voraus ausgebucht. Aber trotz des Erfolges sind die Reitbauers (Ehefrau Birgit leitet charmant den Service) nicht abgehoben. "Für uns sind alle Gäste gleich wichtig und wir wollen ihnen einfach eine schöne, genussvolle Zeit vermitteln", sagt Birgit.

Saibling im Bienenwachs gegart

Und Heinz ergänzt: "Auf diesem Niveau zu kochen ist natürlich wirklich anstrengend. Aber es macht auch Spaß, wenn man sieht, dass es den Menschen schmeckt!" Und es schmeckt tatsächlich grandios. Das Video seines Signature Dish, der in Bienenwachs gegarte Saibling, wurde im Internet eine Million Mal angeklickt, aber wenn's der Gast will, dann paniert ihm Heinz Reitbauer auch ein Kalbsschnitzel. Warum ihm der rote Michelin-Führer noch immer keinen dritten Stern verliehen hat, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass er eigen- ständig und nicht unbedingt französisch kocht.

Mit drei Sternen rühmen kann sich in der Zwischenzeit aber der von Mannheim nach Wien gezogene Juan Amador, der draußen in Heiligenstadt - leider in einem etwas kühlen Kellerambiente - im gleichnamigen Restaurant alle Küchenregister zieht.

Ebenfalls in der Spitzengastronomie angesiedelt sind Silvio Nickol im Palais Coburg, Lukas Mraz vom "Mraz & Sohn" und Konstantin Filippou, der die für mich interessanteste Küchenlinie fährt. Sein Sechs-Gang-Menü ist fast durchgehend dem Meer gewidmet - von Muscheln, Karpfen, Zander bis zum kroatischen Langustino, allerdings mit Kalbszunge.

Und wer nicht nur gut essen, sondern auch eine wunderschöne Aussicht genießen will, der ist im "DO & CO" im 7. Stock mit Blick auf den Stephansdom am besten aufgehoben. Was Attila Dogudan, inzwischen einer der weltgrößten Caterer, hier im Stammhaus geschaffen hat, begeistert Einheimische wie Touristen. Drei Küchenlinien gibt's - natürlich wienerisch mit Tafelspitz und Kalbsbutterschnitzel, einmal italienisch mit bestem Fisch und einmal asiatisch mit Sushi und Sashimi.

Die neue Beisl-Kultur

Aber als Auslandsösterreicher, der nur noch jede zweite Woche nach Wien kommt, liebe ich natürlich vor allem die Wiener Wirtshäuser. Die Beisl-Kultur in Wien hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch weiterentwickelt, man kann ruhig von einer Wirtshaus-Revolution reden. Aus verrauchten Vororted-Lokalen mit abgewetzten Sesseln und in die Jahre gekommenen Holztischen sind schmucke, neue Wirtshäuser geworden. Aber nicht nur die Möblage ist neu, auch die Küche selbst hat sich verändert: viel leichter, aber trotzdem gschmackig. Nix aus der Tiefkühltruhe, sondern direkt vom Markt. Keine Industriesaucen, fast alles ist frisch zubereitet.

Für das wirklich grandiose Wiener Schnitzel pilgere ich am liebsten zum "Grünauer" in der Hermanngasse, dafür ist sogar der deutsche Gourmetpapst Wolfram Siebeck (Gott hab ihn selig!) extra eingeflogen. Oder ich geh für den besten Tafelspitz zum "Plachutta", auf ein herrliches Beuscherl zum "Meixner" in Favoriten, während ich mir das klassische Gulasch beim chinesischen Koch im "Gutruf" beim Petersplatz bestelle - das kleine Lokal hat bis heute keine Homepage!

Besuch am Naschmarkt

Den besten und frischesten Fisch bekommt man in Wien, so behaupte ich, am Naschmarkt. Und zwar beim Fischhändler "Umar", der in seinem Fischbeisl nebenan Steinbutt & Co - vom kroatischen Koch nur kurz abgebraten - an wackeligen Tischen servieren lässt. Chef Erkan Umar bezieht seine Meeresfrüchte dreimal in der Woche neu: "Das meiste kommt aus dem Atlantik, im Mittelmeer gibt's nicht mehr so viel...".

Video: Umar & Urbanek am Wiener Naschmarkt!

Weil wir schon auf dem Naschmarkt sind, ein Besuch auf dem traditionellen Wiener Markt ist nur dann vollständig, wenn man beim "Urbanek" einkehrt - einem Delikatessengeschäft mit der besten Wurst und dem besten Käse aus Österreich sowie den Feinschmecker-Ländern Frankreich, Italien und Spanien. Zum Mitnehmen oder auch als kleiner Imbiss, unterstützt von einem Achterl Wein, vorzugsweise aus der Wachau.

Die Lieblinge der Profis

Aber damit's nicht zu subjektiv wird, habe ich mich auch unter anderen befreundeten Kritikern umgehört. Herbert Hacker, Chefredakteur vom "Falstaff" und "trend"-Kolumnist, geht am liebsten zu Harry Brunner in "Das Spittelberg". Der Laden ist zwar ein bisschen kitschig und schaut gar nicht nach Wirtshaus aus, "aber was er auf den Tisch bringt, ist Wirtshausküche auf hohem Niveau", sagt Hacker und schwärmt von Grammelknödeln, Kalbsbries und Ente. Das Lieblingswirtshaus von Christian Grünwald, dem Chefredakteur des "A la Carte"-Magazins, ist in Mariahilf, um die Ecke von der Gumpendorfer Straße. Im "Ludwig van" wird - so Grünwald - "haarscharf zwischen Gourmet- und Wirtshausküche hantiert". Der neue Koch Bernhard Stocker bietet auch eine "Theaterkarte" an - für alle, die bis Mitternacht ein kleines Gulasch oder ein Salonbeuschel konsumieren wollen.

Fehlt noch Gault-Millau-Chef Kari Hohenlohe, der Stammgast im kleinen, aber feinen "Winklers zum Posthorn" ist. "Das ist ein richtiger Familienbetrieb, hier kann man Wiener Küche genießen, wie sie klassischer nicht geht. Da muss man den Schweinsbraten probieren, einen besseren findest du nirgends!", schwärmt er über sein Lieblingswirtshaus. Bei meinen Tipps finden Sie übrigens noch ein paar Wirtshäuser mehr aufgelistet. Aber bitte nicht vergessen: rechtzeitig vorbestellen, denn der Andrang ist groß.

90 offene Weine

Und dann gibt es noch eine Spezialdisziplin, die mich ein bisschen an die französischen Neo-Bistros erinnert: die Weinwirtshäuser. Bei ihnen liegt der Schwerpunkt - no na, wie der Name schon sagt

- beim Wein. Hermann Botolen, der als Chef-Sommelier durch die verschiedensten Wiener Institutionen gezogen ist, hat sich mit dem "Fuhrmann" in der Josefstadt seinen Traum erfüllt. Dort gibt der Wein den Ton an, nicht nur die Österreicher, sondern bevorzugt die Franzosen, und dazu passend wird gekocht. Durchaus Wirtshausküche, aber - so Botolen - "wenn ich an gute Austern rankomme, dann gibt's am Abend auch Austern und einen guten Sancerre dazu".

In der Zwischenzeit haben's ihm einige Junge nachgemacht. Auf der Landstraßer Hauptstraße liegt das "Heunisch & Erben". Glücklicherweise hat es jetzt schon bis Mitternacht offen, fast ein Jahr hatte die zuständige Magistratsabteilung dazu gebraucht, um die ursprüngliche Lizenz - nur bis 20 Uhr! - zu verlängern. Robert Brandhofer und Markus Gould verstehen sich als "Trinkstube der Herzen" und schenken an die 90 Weine glasweise aus - wahrscheinlich für Wien ein Rekord. Aus der Küche kommt sowohl Klassisches wie Bröselkarfiol und Kalbsrahmgulasch, aber auch Kreatives wie Heilbutt mit "einbrennte Hund" oder grüner Apfel mit Frischkäse, Streusel und Muskatnusseis.

Mit den 90 offenen Weinen kann das "MAST" in der Porzellangasse, ebenfalls von zwei Wein-Freaks gegründet (Matthias Pitra und Steve Breitzke - deshalb "MAST"), nicht mithalten, dafür umfasst die Karte der Flaschenweine 500 Positionen. Auch im "MAST" wird küchenmäßig die Philosophie "klassisch und kreativ" zelebriert - auf der einen Seite Kohlsprossen mit Erdäpfelcreme sowie gefüllte Paprika mit Kalbsfaschiertem oder Saiblingstatar mit gelben Rüben und Lammbauch mit Petersilwurzeln. Kein Wunder, Küchenchef Martin Schmid hat beim Döllerer in Golling gelernt.

Doch eine Warnung gilt für alle diese wunderbaren Wein-Bistros: Wer sich nicht mit trüben, naturvergorenen, vielleicht in Amphoren jahrelang vergrabenen oder sonstigen Orange-Weinen an- freunden kann, sollte dies gleich zu Beginn des Besuchs sagen. Denn die besondere Aufmerksamkeit da wie dort gilt natürlich den Naturweinen, die nicht immer so schmecken, wie sich Konservative wie ich einen richtigen Wein vorstellen. Aber da gehen die Meinungen ja weit auseinander.

Bei dieser kulinarischen Breite kommt man wie von selbst in den Walzertakt und singt "Wien, Wien, nur du allein".

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