Schinken, Fisch und Sterne-Küche | The Hans in Barcelona

19.11.2019

Barcelona ist ein einziger Feinkostladen. Und zwei Brüder haben mitten in der Stadt eine Art kulinarischen Vergnügungspark der Extraklasse geschaffen - mit einem Spitzenlokal, wo man sich wie in einem modernen Theater fühlt.

Mit dem "Tickets" hat es begonnen, das zweite Leben der Adrià-Brothers. Ein Ecklokal mit 60 Sitzplätzen, ein wenig an die Kino-Vorräume erinnernd, mit kleiner Bar, ein paar Theken, mit Popcorn-Maschine und Design-Sesseln. Spaß sollten die Gäste haben, locker sollte es sein, ruhig ein bisschen lärmig, ein modernes Design-Wirtshaus. Also eigentlich das Gegenteil vom berühmten "El Bulli" - aber trotzdem gut, mit den populärsten Gerichten von damals. Falsche Oliven, die im Mund zerplatzen, die Mini-"Airbags" mit Manchego, die Shrimps mit Green Peppers und eine King Crab Pizza. Und das alles erschwinglich - um 60 Euro is(s)t man dabei.

"Wir waren vom ersten Tag an erfolgreich, die Bude war voll - und Gott sei Dank ist es bis heute so geblieben", erinnert sich Albert. Kein Wunder, denn nur an der Avinguda del Parallel im Sant-Antoni-Viertel von Barcelona konnten sich die eingefleischten "El Bulli" -Fans einen sentimentalen Nachschlag holen. Aber das "Tickets" war nur der Auftakt: "Ich wollte einen kulinarischen Vergnügungspark schaffen - mit verschiedenen Lokalen, in denen traditionelle Küche neu angeboten wird." Und so wuchs und wuchs das Adrià-Imperium "Barcelona 5.0". Schräg gegenüber die "Bodega 1900" mit viel Schinken und Wermut, auf der anderen Seite das "Pakta" mit raffinierter japanisch-mediterraner Küche und weiter oben, aber auch nur einen Steinwurf entfernt, das "Hoja Santa" und "Nino Viejo", ersteres mit mexikanischer Designküche und Letzteres als Mex-Tapas-Bude.


Video: Schinken, Fisch und Sterne-Küche


Wir sitzen im kleinen Vorgarten seines "Tickets" in Barcelona. Albert Adrià grüßt Mitarbeiter und Freunde und erzählt von seinen ganz großen Plänen. Ein Telefonanruf, ein paar Mal "Si, si" und der lockere Albert ist gar nicht mehr so locker. "Ferran ist im Anmarsch, wir testen heute alle unsere Lokale durch", sagt er und fährt sich nervös durchs Haar. Denn Bruder Ferran ist nicht irgendwer, sondern der bekannteste Koch der Welt - und auch der einzige, vor dem Albert zittert. Ein bisschen jedenfalls.

Die ungleichen Brüder. Hier Ferran, nicht nur Koch-Genie, sondern auch Marketing-Genie. Sein "El Bulli" hat ihn weltweit bekannt gemacht, er war Stargast bei der Documenta in Kassel, kein TV-Bericht über die wichtigsten Köche der Jetzt-Zeit kommt ohne ihn aus. Jetzt sitzt er im "Bulli Lab", seit er das "Bulli"-Restaurant zugesperrt hat. In einem der unzähligen Hinterhöfe von Barcelona wälzt er Pläne und Theorien vom Ursprung des Kochens bis zur Zukunft des Essens. "Ich koche nur mehr für Freunde", sagt er. Das öffentliche Kochen hat er an seinen Bruder übergeben.

Dort Albert. Eher scheu, zurückhaltend. Er hat für Ferran gekocht, vor allem für die Desserts war er im "Bulli" zuständig. Doch seitdem sich der umtriebige Ferran zurückgezogen hat, ist der schüchterne Albert ins Rampenlicht getreten. So nach dem Grundsatz, einer muss es ja machen. In fünf Jahren hat er ein kleines Imperium mit fünf Restaurants im Süden von Barcelona geschaffen. Abseits der Touristenströme, zehn Minuten von den Ramblas entfernt. Bruder Ferran steht ihm mit Rat und Tat zur Seite. "Wenn er Zeit hat", schränkt Albert ein. Aber man kann davon ausgehen, dass er nicht nur einmal pro Jahr testend von Lokal zu Lokal wandert.

Unbedingt ins "Tickets"

"Das 'Fine Dining' der alten Ära funktioniert nirgends mehr", erklärt Albert. Die kalte Atmosphäre in den noblen Sterne-Tempeln, die unnahbaren Kellner mit leicht erhobener Nase und - wenn's ganz blöd kommt - mit weißen Handschuhen, diese Distanz zwischen Küche und Gästen, die braucht heute keiner mehr. Da hat er recht, der Albert. Und recht hat er auch mit dem Business-Konzept. Denn es funktioniert: Fast 100.000 Menschen pro Jahr lassen sich von ihm in seinem kulinarischen Vergnügungspark verköstigen. Manche planen ein Adrià-Wochenende: Freitag japanisch, Samstag zu Mittag spanisch und am Abend mexikanisch oder ins "Tickets".

Albert Adrià gerät in der lauen Abendluft von Barcelona ins Schwärmen: "Viele haben mir gesagt, so schnell kann man nicht fünf Restaurants hochziehen, innerhalb von nur fünf Jahren. Aber ich sage Ihnen, das ist wie eine Familiengründung. Wenn man die Kinder in kurzer Zeit hintereinander bekommt, dann hat man mehr Spaß damit und man ist noch immer jung, wenn sie Teenager werden." Abrupt springt er aus dem Sessel und läuft zur Straßenecke. Dort ist gerade Bruder Ferran vorgefahren. Ein Restaurant-Manager übernimmt das Parken und die Brüder umarmen sich.

"Enigma" für Fine Dining

Heute inspizieren sie ihr neuestes Meisterwerk, das "Enigma" sieben Häuser weiter vom "Tickets". Drei Jahre haben sie geplant, gebaut und es schließlich 2017 fertiggestellt. Auf 1000 Quadratmetern werden nur 24 Gäste pro "Sitzung" bekocht und von 40 dienstbaren Geistern in der Küche und im Service betreut.

Wie auf einem Parcours wandern die Gäste von einem Restaurant-Spielort zum nächsten. Im ersten Raum werden die Vorspeisen serviert und man bestellt den Wein für den Abend. Dann geht es weiter an die Fischtheke, wo Austern, Seegurken und Shrimps vor den Augen der Gäste angerichtet werden. Weiter zum Grill, dort gibt's das erste Mal auch ein bisschen Fleisch, und dann in den Speisesaal, der wie ein Heiliger Gral eingerichtet ist. Dort gibt's endlich die Hauptspeisen, allerdings auch in kleinen Portionen: fünf Mal, von der wilden Taube über See-Anemone bis zur Walnuss mit Kaninchenhirn, was wahrscheinlich nicht bei jedem Freude auslösen wird... Und last, but not least, warten im Raum 5 die Desserts. Liebevoll ziselierte Früchte, Sorbets, Schokokreationen und was sonst noch das Herz eines Süß-Essers höher schlagen lässt.

"Das Tasting Menu muss Rhythmus und Melodie haben und es muss immer eine Interaktion zwischen den Köchen und den Gästen geben", sagt Mastermind Albert Adrià. "Und deshalb führen wir die Menschen von einer Kochstelle zur nächsten." Zweieinhalb Stunden dauert der ganze Gourmet-Spaziergang, länger, so meint man hier zu Recht, wollen die Gäste nicht herumsitzen. "Wir sind ja nicht in einer Wagner-Oper."

Natürlich ist das Ganze auch nicht billig, 300 Euro muss man schon pro Person auf den Tisch legen. Aber es ist ein fantastisches Spektakel, eine vergnügliche Gourmet-Tour, die man nicht bereut. Keine Frage, das "Enigma" gehörte schon vom ersten Tag an zu den Top-Lokalen in Barcelona. Und mittlerweile auch zu den besten Lokalen der Welt.

Best of Barcelona

Aber Barcelona hat natürlich mehr als die Adrià-Brüder zu bieten: kurz und gut ein paar sachdienliche Hinweise, sozusagen "Best of Barcelona".

Beste Neugründung: hochgelobt und tatsächlich fast revolutionär ist das "Disfrutar", der neueste Hype. Die drei Köche haben im "El Bulli" gearbeitet und sich vor fünf Jahren zusammengetan, um auf ihre Art und Weise die Küche von Ferran Adrià weiterzuentwickeln.

Bestes Seafood-Lokal mit Aussicht: mit Blick auf den alten Hafen von Port Veil diniert man im "Barceloneta", einer Institution hier in Barcelona. Am besten Samstag oder Sonntag Mittag lässt man Anchovis und Muscheln, Scampi und Merluza, so wie eine wirklich gute Paella auftischen.

Bestes gehobenes Tapas-Restaurant: Im "Bicnic" treffe ich mich am liebsten mit meinen katalanischen Freunden. Tapas von höchster Güte, zu zivilen Preisen, in modernem Ambiente.

Beste Tapas-Bar: Das "Cal Pep" im Barri Gotic, also der Altstadt. Vorne drängen sich die Hungrigen am Tresen, weiter hinten gibt's einen kleinen Speisesaal für die, die Tapas vom Schinken bis zum Pulpo a la Gallega, dem galizischen Tintenfisch, in Ruhe genießen wollen.

Beste Weinbar: bis weit nach Mitternacht kann man im "Vinya del Senyor" gegenüber der Kirche Santa Maria im Barri Gotic einen Absacker nehmen. 40 verschiedene spanische Weine gibt es glasweise, das macht Spaß! 

MEINE TIPPS: 

Tickets
Bodega 1900
BEST OF BARCELONA:
Bicnic 
Pakta
Hoja Santa und Ninjo Viejo
Enigma
Disfrutar
Barceloneta
Cal Pep
La Vinya del Senyor


BEST OF BARCELONA:
Bicnic 
Pakta
Hoja Santa und Ninjo Viejo
Enigma
Disfrutar
Barceloneta
Cal Pep
La Vinya del Senyor

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